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Bleiben oder gehen?

Bleiben oder gehen?

Am Gewohnten festhalten? Oder doch lieber trennen? Sobald ein Job eine dauerhafte Belastung ist, sollte man über einen Abschied vom bisherigen Arbeitgeber nachdenken. Die Touristikerin Sabine*, 50, hat den Sprung gewagt. Ihre Geschichte.

Die Sommersonne strahlt und Sabine, 50 Jahre alt, sitzt auf einer Parkbank, streckt die Beine aus und lächelt entspannt und zufrieden. Sie hat vor ein paar Monaten einen neuen Job angenommen und genießt ihre Mittagspause. Heute geht es Sabine, anders als noch vor einiger Zeit, sehr gut. Sie befand sich in den letzten Jahren in einer anstrengenden, belastenden und nervenaufreibenden beruflichen Situation. Sie musste in ihrem alten Job lange kämpfen, sich eingestehen, dass der Kampf sie zermürbt, erkennen, dass sie nicht gewinnen kann, sich trennen und sich neu finden. Jetzt freut sie sich über ein glückliches Ende ihrer Geschichte, trinkt einen Schluck von ihrem Coffee-to-go und erzählt, wie es alles kam.

Als Produktmanagerin fing sie vor einigen Jahren bei einem mittelständischen Reiseveranstalter an. Sabine machte die Arbeit zu Beginn großen Spaß: tolle Aufgaben, interessante Destinationen, nette Leute. Dann veränderten sich die Verantwortlichkeiten in ihrer Abteilung. Sabine wurde von ihrem Chef zur Führungskraft gemacht und musste zunächst um das Vertrauen des Teams werben, das sie in ihrer neuen Rolle nicht akzeptierte. Gleichzeitig gab es Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten.

Der Druck nahm stetig zu und ihre Situation wurde immer verfahrener. Doch sie ließ den Kopf nicht hängen. Sie besuchte Seminare, ließ sich von einem Coach begleiten, führte interne Gespräche. „Ich war hartnäckig und wollte die Flinte nicht ins Korn werfen. Später habe ich es aber doch tun müssen“ sagt sie.

Sabines Unzufriedenheit und Frust im Job ist nicht ungewöhnlich. Das Gallup Institut ermittelt regelmäßig die Zufriedenheit von Mitarbeitern am Arbeitsplatz und kommt zu dramatische Ergebnissen: Rund 55 Prozent der Befragten denken über Kündigung nach. (https://www.gallup.com/de/472028/bericht-zum-engagement-index-deutschland.aspx)

Sabines Fragestellung, sich zu trennen oder zu bleiben ist also kein Einzelfall, sondern ein gesellschaftliches Phänomen. Depressionen, Burn Out, Überlastungen und Stress nehmen zu. Die Arbeitswelt im Jahr 2023 ist schnell und herausfordernd, die Touristik ist hier keine Ausnahme. Auch die Techniker Krankenkasse warnt: die Menge der Fehltage haben sich in den vergangenen 15 Jahren um 50 Prozent erhöht. (https://www.tk.de/resource/blob/2125010/da11bbb6e19aa012fde9723c8008e394/gesundheitsreport-au-2022-data.pdf) Unternehmen, die sich nicht proaktiv um die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter kümmern, haben hohe zusätzliche Kosten durch Fluktuation, fehlende Leistungsbereitschaft und einen hohen Krankenstand.

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Die belastende Situation von Sabine spitzte sich weiter zu. Der Chef entschied, eine neue Führungskraft soll eingesetzt werden und Sabine ersetzen. Sie sollte wieder zur Mitarbeiterin in ihrer Abteilung werden. Ihr Engagement als Leitungskraft wurde nicht anerkannt, sie wurde degradiert.

Viele Menschen ziehen sich in diesen schwierigen Momenten zurück und verrichten nur noch „Dienst nach Vorschrift“. Anstatt zu kündigen erscheint die Sicherheit des bekannten wenn auch ungeliebten Arbeitsplatzes wichtiger als die psychische Belastung durch die Arbeitsbedingungen. Unternehmen ignorieren diese Mitarbeiter, denn viele Chefs fühlen sich schuldig und vermeiden das Gespräch.

Die Degradierung war bei Sabine der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie fasste den Mut, zu kündigen. Mit Irritation reagierten Freunde: „Du bist verrückt mit 50 Jahren einen sicheren Arbeitsplatz zu verlassen!“, lautete die Meinung der Zweifler und Zauderer. „Wovon willst Du langfristig leben?“

Auch wenn sie einen kleinen finanziellen Puffer angespart hatte, der finanzielle Engpass schmerzte sie, das gibt sie heute zu. Sabine stand dennoch zu ihrer Entscheidung, einen Job, der ihr keine Freude mehr bereitete, aufzugeben. Sie sah die Vorteile: Hatte sie vorher weniger Zeit und mehr Geld, so hatte sie nun viel Zeit für sich, auch wenn sie sich finanziell einschränken musste. Sabine bildete sich fort, reiste, dachte nach. Sie nahm sich ein dreiviertel Jahr Auszeit, erkannte was ihr im Job wichtig ist und verstand jetzt, worauf sie bei der Wahl der Arbeitsstelle achten muss. Sie empfand die Trennung von ihrem alten Arbeitgeber als eine Chance und prüfte obendrein, ob die Touristik überhaupt ihr Leidenschaft geblieben war.

Arbeitnehmer haben heute fast ideale Voraussetzungen für sich zu sorgen, ihren Job zu wechseln und eine Arbeitsstelle zu finden, die ihren Neigungen, Vorliegen, Stärken und Zielen entspricht. Deutschland hat eine riesige Beschäftigungslücke. Unternehmen klagen über immer weniger Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen. Der Arbeitnehmer hat die Wahl.

Reiseunternehmen sind daher gefordert, die Arbeitsbedingungen deutlich zu verbessern, mehr Augenhöhe und Wertschätzung einzubringen und ihre Mitarbeitenden dabei zu begleiten, entsprechend ihrer Stärken und Neigungen zu arbeiten und gleichermaßen leistungsfähig und zufrieden zu sein. 

Langfristig wird so die Arbeitswelt für beide Seiten besser werden, für die Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber. Denn diese sind ja auch nur Menschen und wünschen ein gutes Betriebsklima.

Nach der Auszeit bewarb sich Sabine und fand eine neue Anstellung. Der Quereinstieg in eine andere Branche hat nicht geklappt, aber ein kleines Touristikunternehmen mit einem hohen „Wohlfühlfaktor“, wie Sabine es nennt, wird ihr neuer Arbeitgeber. Dort ist sie heute sehr zufrieden, sagt sie lächelnd, verlässt die Parkbank und geht beschwingt zurück ins Büro.

* Name geändert.

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